Erster Sieg zum Saisonauftakt

Auch wenn ich fest davon ausgehe, dass die Jubelrufe am letzten Sonntag (06.03.) bis in das entfernte Rüsselsheim vorgedrungen sind, so möchte ich euch doch hier die komplette Geschichte erzählen.

Alles begann vor inzwischen fünf Jahren,

es war ein kalter Tag im Januar 2017 , als wir unser erstes Oberligaspiel der Vereinsgeschichte hatten (siehe Beitrag von damals). Mit diesem kamen Erwartungen, Träume, Wünsche und die ein oder andere unruhige Nacht vor einem wichtigen Spiel. Doch wie unzähligen Berichte, sowohl hier als auch in der Zeitung bekannt gaben, blieb unsere erste Saison punktlos. Hoffnungsvoller und mit dem gelernten Wissen strebten wir an der Seite unseres damals neuen Trainers, Jürgen, eine erfolgreichere Saison im nächsten Jahr an. Unsere Spiele wurden teilweise ausgeglichener, aber es war immer noch keine Ruhe in unseren Aufstellungen. So gingen auch in dieser Saison viele Angriffe wortwörtlich im Konter „nach hinten“ los. Zu viele Gegentore, zu wenig verwertete Chancen im Angriff. So gab es auch in dieser Saison keinen einzigen Punkt für uns.

So startet 2018/19 mit mir als neuem Trainer die dritte Saison der Rüsselsheimer Oberliga. Da nach einem Spiel gegen alle Mannschaften, die Liga in obere und untere Hälfte getrennt wurde, hatten wir gleich mehrere Chancen uns gegen gleichstarke Mannschaften zu behaupten. Als Folge dessen gelang es uns gegen Offenbach und Michelstadt zwei Unentschieden zu erringen. Ein Sieg rückte in greifbare Nähe. Doch trotz mehr Spielen gab es in dieser Saison keinen weiteren Erfolg. Die Saison 2019/20 startet mit neuem internationalem Regelwerk und einer Pleite nach der anderen für uns und endete sehr abrupt durch Corona und dem daraus folgenden Ligaabbruch. Fast zwei Jahre Corona-Pause, ein paar Trainingsspiele und viele Online-Trainings später stand die Saison 2022 vor der Tür.

Die Stimmung in der Mannschaft war eher durchwachsen – wer kann es ihnen verübeln – es fehlte an Konstanz, Motivation („Muttivation“) und vor allem Spielern. Ich besuchte im Wissen die Oberliga-Rundensitzung, dass die Mannschaft nicht spielen wird, sollten wir keine Auswechselspieler von einem anderen Verein bekommen. Darmstadt bot uns Ersatz an, doch nachdem Michelstadt aufgrund mangelnder Teilnehmer keine eigene Mannschaft stellen konnte, fusionierten wir zur „Auswahl Rüsselsheim“. Viel Organisationschaos und Bürokratie später, steht das erste Spiel an. Der Gegner: Wiesbaden. In den Vorjahren kein leichter Gegner, vor ein paar Jahren gewannen sie die Oberliga, wurden Vize und spielten auch im Hessen-Pokal um die ersten Plätze. Doch zuverlässige interne Quellen ließen auf einen starken Corona-Schwund der Stammmannschaft schließen. Eine winzig kleine Flamme der Hoffnung entzündete sich. Verletzungsbedingt ohne Torwart, dafür mit Michelstädter Verstärkung auf dem Feld, machten wir uns am letzten Sonntag auf den Weg ins allzu bekannte Hallenbad Kleinfeldchen.

Warmmachen, einspielen, dann die letzte Teambesprechung. Klare Wechsel, Ruhe bewahren und mit Vuk Kovacevic (2007) unser Ass im Ärmel ausspielen. Vuk kam während der Pandemie aus Serbien zu uns und kann nicht anders als ein Nachwuchstalent bezeichnet werden. Er spielt wie immer links Halb, einer der wichtigsten Positionen. Martin Kohl geht heute ins Tor, da sein Bruder, unser Stammtorwart, verletzt ist. Alle weiteren Feldspieler bleiben auf ihren Stammpositionen.
Spielbeginn. Erstes Anschwimmen verloren, Gegentor. Nicht beunruhigen lassen. Schon wenige Sekunden später trifft Michelstädter Alex Wissmüller mit einem Schuss aus 7m zum Ausgleich. Hin und her. Rausstellung Wiesbaden, schneller Pass auf Vuk, Führung! Fast direkt im Anschluss Unterzahl für uns und wenige Sekunden später folgt der Ausgleich für Wiesbaden zum 2:2. Es scheint ein richtig heißes Spiel zu werden. Vuk trifft noch zweimal aus dem Rückraum (2:4). Hin und her, hin und her, aber Rüsselsheim lässt sich die Führung im ersten Viertel nicht mehr aus der Hand nehmen. Die zwei Torhammer Sebastian Opitz und Vuk Kovacevic schießen sieben der acht Rüsselsheimer Tore des ersten Viertels. Mit einer soliden Dreitoreführung (5:8) geht es in die erste Pause.

Ansprache von mir, Martin Steinborn, nachdem ich als „Spielertrainer“ von draußen und drinnen das Geschehen beobachtet habe – mehr Fokus auf das Pressspiel in der Verteidigung und ruhigere Pässe nach vorne. Schon geht es weiter. Ein scheinbar endloses vor und zurück. Fast drei Minuten ohne Tor, dann dreht Wiesbaden auf. Zwei schnelle Tore von Sven Schmedemann, dem Spielmacher und Kapitän der Landeshauptstädter. Nach einem von uns verschossenen Strafwurf, kann Vukan Micic, der neben Dorian Schäfer zweiter Center ist, endlich wieder für uns punkten. Trotz starker Wiesbadener Leistung in diesem Viertel (4:3), führt Rüsselsheim weiterhin, 9:11.

Viel Lob in der Halbzeitpause – die zuvor angesprochenen Punkte klappen viel besser. Zusätzliches Lob an Martin Kohl, der scheinbar seinem Bruder nacheifern will, indem er mit mehreren bärenstarken Paraden auf sich aufmerksam machte. Das dritte Viertel, sonst immer unser Untergang, dieses Mal scheinbar unsere Stärke. Wiesbaden kämpft, doch ihre Reserven scheinen vorerst aufgebraucht. 1:4 gewinnen wir das ehemalige Horrorviertel, Stand 10:15. 5 Tore Führung für uns. FÜNF! Ruhe bewahren. Durchatmen. Alle Kräfte mobilisieren, die noch irgendwo schlummern. Das lassen wir uns jetzt nicht mehr nehmen!

Auf der anderen Seite scheint Kapitän Schmedemann ähnliche Ansprachen getroffen zu haben. Trotz gewonnenem Anschwimmen für Rüsselsheim kann Jared Sembritzki im nächsten Angriff Punkten. Nach dem Rüsselsheimer Anschlusstreffer wird Alex Wissmüller rausgestellt, Überzahl Wiesbaden. Schmedemann nimmt die erste Auszeit des Spiels. Klassische 4-2 Aufstellung, Pass auf den kurzen Pfosten, Glanzparade von Martin Kohl, Nachschuss, Pfosten rettet. Puh! Zwei, drei Angriffe vergehen, niemand gibt klein bei. Wieder Ausschluss eines Rüsselsheimers. Die Wiesbadener Überzahl gelingt erneut nicht, langer Pass, doch Rufe auf der Rüsselsheimer Bank und der Pfiff des Schiedsrichters, Norbert Bassmann, bremsen alles Weitere. Oh je! Wechselfehler! Zweiter Center, Vukan, ist zur falschen Zeit ins Becken gesprungen und bekommt eine Rolle (rote Karte). Wieder Überzahl für Wiesbaden, diesmal treffen sie. Schmedemann und Frank von May drehen auf. Noch knapp eine Minute auf der Uhr, es steht 17:19. Auszeit Rüsselsheim. Zeit ausspielen, einfach die 30 Sekunden Angriffszeit den Ball auf der Hand sichern. Ein letzter Angriff und das unmögliche ist geschafft. Kaum zu glauben, aber der Michelstädter Alex Wissmüller verwandelt nach Querpass spontan. 2 Sekunden. Letzter Angriff, Wiesbaden ist am Ball. Irgendein Arm blockiert den Schuss an der Mittellinie. Düüüüüt.

Vorbei, Ende, Schluss, Aus. Das Spiel ist gewonnen. Rüsselsheims erster Oberliga-Sieg. Seit 5 Jahren wurde dieser Moment herbeigesehnt. 4 Saisons wurde gekämpft und trainiert. 17:20, gegen Wiesbaden. WIESBADEN! Extasische Jubelschreie erfüllen die Halle. Spieler fallen sich um den Hals. Alle Emotionen kommen in diesem Moment heraus.
Im Laufe der nächsten Stunde, die wir mit Snacks und Getränken draußen in der Sonne verbrachten, wurde uns sogar noch bewusst, dass wir Tabellenführer sind. Zwar nur weil dies das erste Spiel der Saison war, aber trotzdem! „Wir haben ein Spiel gewonnen“, ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich diesen Spruch an diesem Tag und den darauffolgenden Trainingseinheiten gehört habe. Auch mir ist im Laufe des Sonntages ein riesiger Brocken vom Herz gefallen, einfach unbeschreiblich nach diesen „dunklen Zeiten“.

Es sei noch angemerkt, dass es echt erstaunlich ist, dass Wiesbaden trotz nur einer Handvoll Stammspieler der alten Saisons so gut gespielt hat. Denn es waren nicht nur „alte Hasen“ im Wasser, auch der über die letzten Jahre herangewachsene Nachwuchs hat gut mitgespielt. Ich hoffe, dass diese neue Generation erhalten bleibt, denn zu viel ist in Wasserball-Hessen durch Corona verloren gegangen. Wir freuen uns auf das Rückspiel am 27.06. vor Heimkulisse.

 

Torschützen:

Sebastian Opitz (7), Vuk Kovacevic (6), Alexander Wissmüller (2), Martin Wissmüller (2), Thomas Rothkugel (2), Vukan Micic (1)